Worldbuilding lebt oft von Details. Und in Details steckt bekanntlich der Teufel. Da plant man Monate, manchmal sogar Jahre lang an seiner Welt, schmückt sie aus, zeichnet Karten, macht sich Notizen – und dann kommt plötzlich jemand und weist auf einen Fehler hin, der, wenn man einmal drüber nachdenkt, eigentlich ganz offensichtlich ist.
Da sich das Setting von Fantasy-Geschichten häufig am Mittelalter orientiert, lohnt es sich, ein bisschen in dieser Epoche zu stöbern und sich Inspiration zu suchen und sich über Stolperfallen bei der Entwicklung der eigenen Welt zu informieren.
1. Mahlmühlen stehen mitten im Geschehen
Mühlen nehmen eine zentrale Rolle in der Nahrungsmittelproduktion der mittelalterlichen Welt ein. Jeder, der schon einmal die „Anno“-Reihe oder „Die Siedler“ gezockt hat, kann ein Lied davon singen. Doch wo man im Spiel die Mühlen dahin setzen kann, wo es einem gerade passt, war das im Mittelalter nicht ganz so einfach.
Mühlen, ganz besonders Windmühlen, finden sich oft außerhalb von Städten und Dörfern und nicht mitten im Stadtzentrum. Grund dafür war zum einen, dass Windmühlen natürlich Wind benötigen – da dürfen sich keine Gebäude im Weg befinden. Zum anderen ging von Mahlmühlen eine recht große Explosionsgefahr aus. Die Zerstörung einer Mühle durch eine Mehlstaubexplosion war gar nicht so selten. Vielleicht ist dies ein Grund dafür, warum Mühlen in Legenden oft gruselige Schauplätze sind und das Müllerhandwerk als unehrlicher Beruf galt. Für Illustrationen sollte man sich außerdem unbedingt merken: Mahlmühlen haben keine Schornsteine!
2. Der Wald reicht bis an die Stadtmauer
Folgendes Szenario: Der Feind möchte eine befestigte Stadt angreifen und das Überraschungsmoment nutzen. Wie praktisch, dass ein Wald dicht an der Stadtmauer angrenzt und man sich darin bis zum Angriff wunderbar verstecken kann. Pech für die dummen Stadtbewohner!
Ganz so dumm sind die Stadtbewohner aber sicherlich nicht. Zumindest im Mittelalter hätte es kein Stadtherr zugelassen, dass die Vegetation so dicht an die Mauer heranreicht und die Sicht einschränkt. Eine weite Sicht war oberste Priorität! Und noch ein wichtiger Punkt: Eine Stadt endete in den meisten Fällen nicht vor der Stadtmauer. Städte mussten versorgt werden, d. h. vor den Mauern gab es oft weitflächige Felder für die Landwirtschaft – und keine Verstecke für feindliche Armeen.
3. Die Metropole in der Wüste
Die wichtigste Voraussetzung für das Entstehen von Städten sind Ressourcen und hier im Besonderen Wasser. Ohne eine Wasserversorgung entstehen keine Siedlungen und erst recht keine Städte. Neben dem Zugang zu Flüssen, Seen und/oder Brunnen benötigt eine Stadt zum Wachsen auch noch andere Ressourcen: Nahrung (Platz für Felder, Nähe zum Wald), Baumaterial (Wälder, Steinbrüche), Handel (gute Anbindung ans Handelsnetz, Zugang zum Meer und/oder zu Flüssen). Ohne diese Voraussetzungen wird aus einer Siedlung keine Metropole entstehen.
Trotzdem finden sich in Fantasy-Manuskripten immer wieder riesige Städte an den unwirklichsten Orten: im Gebirge, in der Wüste oder auf einer Insel mitten im Meer, abgeschnitten vom Rest der Welt. Will man solche Orte in der eigenen Fantasy-Welt etablieren, muss immer bedacht werden, dass der Zugang zu den oben genannten Ressourcen gegeben sein sollte. Und sei es durch ein magisches Portal, durch das Lebensmittel in die Gebirgsstadt transportiert werden.
4. Überall gepflegte Straßen
In mittelalterlichen Städten konnten die Hauptstraßen ins Zentrum der Stadt gepflastert sein, das war jedoch kein Muss! Denn Straßen zu pflastern und zu pflegen war aufwändig und teuer. Gepflasterte Straßen gab es deshalb gar nicht so häufig, wie man meinen könnte – weder in Städten noch außerhalb. Straßen waren oft unbefestigt und sahen bei Regen dementsprechend auch aus. Das bedeutet für das Schreiben von Fantasy-Romanen mit mittelalterlichem Setting: Bei der Beschreibung von Straßen sollten Entstehungsgeschichte und finanzielle Mittel berücksichtigt werden.
5. Jeder hat sein eigenes Zimmer
Kehrt der Trupp an Abenteurern in eine Taverne ein, gibt es für jeden oft ein eigenes Zimmer, im schlimmsten Fall müssen sich zwei Leute eines teilen. Was für ein luxuriöses Leben! Denn im Mittelalter hatten Gasthäuser oft nur einen Raum, in dem Gäste übernachten konnten – wenn überhaupt. Häufig gab es auch nur einen Platz im Stall. In manchen Gegenden war man gar auf die Gastfreundschaft der einfachen Leute angewiesen, da es gar keine Herbergen gab. Natürlich waren die Gasthäuser in großen Städten besser ausgestattet als eine Taverne auf dem Land. Dennoch war das Betreiben eines Gasthauses mit mehreren Zimmern mit jeweils nur einem oder zwei Betten zu der damaligen Zeit einfach nicht lukrativ – besonders nicht mitten im Nirgendwo. Ein Umstand, den es auch beim Schreiben von Fantasy-Geschichten zu beachten lohnt.